Interview mit Todd Groth, Head of Index Research CoinDesk Indices

Stefanie Herrnberger
| 11 min read
Interview mit Todd Groth

Interview mit Todd Groth, Head of Index Research CoinDesk Indices, geführt am 27.04.2023 auf der Consensus Conference 2023 in Austin, Texas, USA. Der Lebenslauf von Todd Groth, Head of Index Research bei CoinDesk Indices, liest sich zweifelsohne sehr beeindruckend. Doch unser geplantes Interview sollte sich nicht nur um Indizes, Zahlen und Statistiken drehen, wie wir sehr schnell auf der sonnigen Dachterrasse des Austin Conference Centers feststellen konnten. Im unteren Bereich fand währenddessen die großartige Consensus Conference 2023 statt. 

Wir waren froh über frische Luft, fantastische Aussichten und etwas Zeit abseits des Trubels. So konnten wir ganz in Ruhe über Bitcoin und den gerade veröffentlichten Bitcoin Index sprechen. Auch hier gab es Überraschungen und interessante Diskussionen zwischen Todd und mir, sodass die Zeit nur so verflog. 

CoinDesk Indices arbeitet zwar unter der Marke der weltweit bekanntesten internationalen Informationsplattform für Kryptowährungen, Finanzen und Kapitalmärkte. Doch das Unternehmen legt Wert darauf, vollständig transparent und eigenständig zu agieren. Das ist auch notwendig, schließlich geht es um die Indexierung von Produkten, das Erfassen von Benchmarks und die Bereitstellung von Datenfeeds für Finanzentwickler und Branchenführer. 

Ich will zunächst von Todd wissen, welche Herausforderungen er derzeit für private Anleger auf dem Kryptomarkt sieht und er sagt mir, dass allen voran die Inflation ein großes Problem darstellt. Todd erklärt mir ausführlich den Zusammenhang von Anlegerverhalten und Inflationskurven. In Zeiten, in denen Märkte liquide sind, die Kurse sich positiv präsentieren und die Regulierung ihren Job tut, investieren Anleger sowohl aus dem privaten als auch dem institutionellen Bereich ihr Vermögen in digitale Assets. 


Ist die Inflationsrate in den USA hoch, sinkt das Interesse der Investoren am Kryptomarkt!

Wie sieht es aber speziell bei den Kleinanlegern aus, die derzeit die niedrigen Kurse und die verbesserten Einstiegsmöglichkeiten doch nutzen könnten, um in Bitcoin & Co. zu investieren. Das tun sie beispielsweise in Krypto-Pre-Sales, bei Initial Exchange Offerings oder in Form von Krypto-ETFs. Der Markt müsste doch dadurch wieder stärker anziehen, oder nicht?

Todd weist auf den Unterschied zwischen professionellen Investoren und privaten Anlegern hin. Die vergangenen positiven Kursverläufe der führenden Kryptos haben viele Investoren dazu genutzt, in den Markt zu investieren. Die Aussichten schienen fast schon garantiert positiv und die versprochenen Renditen, die einige Krypto-Projekte vorweisen konnten, ließen der Fantasie eines jeden Anlegers sogar noch viel Raum nach oben. 

Ich frage nach, was mit den institutionellen Investoren passiert ist? Haben sie ihre Assets verkauft, halten sie diese und hoffen auf eine Wiederbelebung des Marktes oder ist das Projekt “Investment in Kryptos” aus deren Sicht gescheitert?

“Vor Corona kannten die Kurse der besten Kryptowährungen fast kein Limit. Investoren waren überzeugt, das geht jetzt erstmal so weiter und kennt (fast) kein Limit. Doch dann kam die Pandemie und das hat viele Überzeugungen verändert, bzw. neue Herausforderungen entstehen lassen, an die vorher niemand gedacht hat.”

Also sind die institutionellen Investoren derzeit etwas vorsichtiger, was nachvollziehbar ist. Was ist aber mit den vielen Neueinsteigern, die derzeit in den Markt einsteigen oder zumindest einsteigen könnten, es aber aus unterschiedlichen Gründen nicht tun? Wie siehst du die Situation am Retailmarkt?

Todd erklärt mir, dass die Inflation trotz guter Aussichten in den USA noch immer ein Hemmnis für Privatanleger und vor allem Kleinanleger ist. Der Konsum der Bürger hat sich verändert, das Geld sitzt nicht mehr so locker, wie während der Pandemie, als durch Lockdowns viel Zeit für die Recherche aufgebracht wurde. 

Die Menschen wollten die freie Zeit nutzen, um ihre Vermögensplanung zu aktualisieren oder sich über neue Chancen an den Finanzmärkten zu informieren. Der Kryptomarkt hat in dieser Zeit einen riesigen Aufschwung erlebt, fügt Todd hinzu.  Ich spreche Todd noch einmal gezielt auf die Inflation an und mache ihn auf die Unterschiede zwischen den USA und Europa, speziell Deutschland, aufmerksam. Todd erfährt von mir, dass wir durch die Energiekrise derzeit nicht besonders stark an nachhaltigen Investments interessiert sind. Auch der Klimaschutz ist ein Stück weit in unserer Prioritätenliste nach hinten gerutscht.

Während der Krieg in der Ukraine in den USA nicht so deutlich spürbar ist, sind die Bundesbürger letzten Winter extrem besorgt gewesen, ob sie ihre Wohnungen und Häuser heizen können. 

“Das war mir nicht vollumfänglich bewusst, denn bei CoinDesk Indices konzentrieren wir uns für die Erstellung von Benchmarks und Indizes natürlich vor allem auf Daten und Analysen rund um die globalen Inflationsraten. Es ist nicht möglich, für globale Daten so detailliert in die ökonomischen Rahmenbedingungen einzelner Länder einzugehen, außer wir haben den Auftrag, einen neuen Index für genau diesen Zielmarkt zu erstellen.”

Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Inflation, Finanzmärkten und Kryptowährungen, sagen wir vor allem beim Bitcoin?

“Der Zusammenhang existiert über die Realzinssätze, die dem Marktzinssatz entsprechen, nachdem er um die erwartete Inflationsrate bereinigt wurde. Immer wenn der Realzinssatz gesenkt wird, motiviert dies Anleger dazu, in Anleihen mit Bitcoin, Aktien und Edelmetallen wie Gold zu investieren, um bessere Renditen für ihr Kapital zu erzielen. Wenn die Realzinsen steigen, legen Anleger ihr Kapital hingegen wieder in risikoärmere Anleihen an, da diese einen höheren Zinssatz bieten als zuvor. Diese relative reale Renditebeziehung zwischen dem US-Dollar und anderen Fiat-Währungen wirkt sich auch auf den US-Dollar-Wechselkurs aus. Wie wir gesehen haben, hat der Anstieg der US-Realrenditen den US-Dollar-Wechselkurs im letzten Jahr im Vergleich zum Rest der Welt gestärkt.”

Kommen wir zum US-Dollar, der Beziehung der USA zu Gold und der Forderung der BRICS-Länder, die Alleinstellung des US-Dollars als globale Leitwährung aufzuweichen. China hat längst damit begonnen, seine US-Dollar-Vorräte abzuverkaufen und der politische Konflikt zwischen den beiden Supermächten setzt dazu die wirtschaftlichen Beziehungen enorm unter Druck. Ich will von Todd wissen, wenn ich eine gute Fee wäre und ihm 1 Million US-Dollar zum Investieren in den US-Dollar, in Gold oder in Bitcoin geben würde, welches dieser drei Assets er wählen würde. Ich lächle leicht, denn während ich mir selbst diese Frage in drei Sekunden beantworten konnte, geht sein analytische Gedächtnis in den Hochbetrieb. 

“Auf welche Zeit gesehen, willst du das von mir wissen? Reden wir von kurzfristigem Invest, also heute oder bis morgen? Soll ich das für mittelfristige Strategien beantworten oder lieber langfristig?”

Ich gebe ihm einen Zeitrahmen von 3 bis 5 Jahre vor. Mal gespannt, was er jetzt antwortet. Nach ein paar laut gedachten Argumenten für oder gegen die jeweiligen Assets ist seine Antwort dann am Ende aber doch klar: Er würde die von der Fee bereitgestellte 1 Million USD in Bitcoin investieren. Ich verrate ihm, dass ich mich auch so entscheiden würde und er will wissen, wie ich die Entscheidung getroffen habe.

Bitcoin Price Index (XBX)

Meine Antwort ist ganz einfach: 1. Den US-Dollar als Leitwährung sehe ich stark unter Druck, 2. Gold ist für mich ein schwer aufzubewahrender Rohstoff, ohne echten Wert und 3. Bitcoin ist von diesen drei Assets das mit dem größten Innovationspotenzial für die Zukunft. 3 Sekunden weibliche Denkweise schlägt 3 Minuten analytisches Säbelrasseln im Kopf eines Vollblut-Analysten. 

Bei Todd und mir treffen zwei unterschiedlich denkende Menschen aufeinander, wie wir bei der nächsten Frage noch einmal deutlich bemerken. Ich möchte von Todd wissen, was er glaubt, warum Satoshi Nakamoto Bitcoin veröffentlicht hat. Angesichts der rasanten Entwicklung, die die erste Kryptowährung ausgelöst hat, wäre es zu vermuten, dass sich die reale Person hinter dem Pseudonym zu erkennen gibt, um ihren Ruhm einstreichen. Wie siehst du das, Todd?

“Ich denke, der Erfinder von Bitcoin war sicherlich zu einem gewissen Maße von den regulierten Finanzmärkten enttäuscht. Schließlich kam Bitcoin kurz nach der großen Finanzkrise 2008 auf den Markt. Aus meiner Sicht hat der Erfinder von Bitcoin damit die Finanzwelt “ärgern” wollen und schlichtweg ein Gegenkonzept zum traditionellen Finanzwesen entwickeln wollen. Ein digitales Geld, ohne die Kontrolle durch staatliche Instanzen und Mittelsmänner.”

War ihm bewusst, was er mit seinem Bitcoin Whitepaper auslösen würde, frage ich Todd. 

“Zu so einer weitreichenden Entwicklung ist es sicherlich nicht über Nacht gekommen. Es gibt ja auch im Genesis Block der Bitcoin Blockchain den versteckten Hinweis zu einem Artikel in der Times vom 3. Januar 2009. Darin geht es um die Finanzkrise in den USA und die Frage, ob weitere Milliarden Staatshilfen in die Banken fließen sollten, um diese vor einem Totalabsturz zu retten. Ich denke, der Erfinder von Bitcoin war sich sehr wohl bewusst, was er für eine innovative Technologie mit Bitcoin in die Welt entließ, als er den Prozess in Gang brachte.”

Dann will Todd von mir wissen, wie ich die Entwicklung von Bitcoin sehe und was der geheimnisvolle Satoshi Nakamoto sich dabei wohl gedacht hat. Ich sage ihm, dass ich nicht glaube, dass dieser Person jemals klar war, wie weit und nachhaltig er die Welt verändern würde. Und er sich damals hat nicht vorstellen können, dass wir heute bei schönstem Wetter ein Interview über Krypto-Indizes führen, während hinter und unter uns eine der wichtigsten Blockchain-Konferenzen stattfindet. 

Nutzen wir diesen Moment und gehen zu den Indizes, die du mit deinen Kollegen bei CoinDesk Indices erstellst. Welchen Index, den es noch nicht gibt, würdest du dir wünschen, wenn ich eine gute Fee wäre? Es folgt ein Moment des Schweigens. Offenbar muss Todd erst sein analytisches Verständnis beruhigen, schließlich sitzt nun schon zum zweiten Mal eine gute Fee neben ihm und will, dass er sich von Daten, Statistiken und Zahlen abwendet und ins Reich der Wünsche geht. Kann ein Finanzanalyst auf der Ebene, auf der sich Todd bewegt, für einen Moment von seinen Algorithmen und Indizes lösen?

Er kann, denn er sagt plötzlich zu mir: 

Wenn ich so zurückblicke, kann ich sagen, das letzte Jahr war für Anleger nicht gut!” Wir lachen alle drei, denn über die Tatsache, dass Anleger das vergangene Jahr abschreiben konnten, gibt es kaum Zweifel. Todd fährt fort und sagt: “Ich würde mir einen Index wünschen, der die hohen Erwartungen von Anlegern herausrechnen kann, dann würden sie nur Zahlen und Werte sehen, die frei von Sentiment-Einflüssen sind. Das bedeutet, ohne die überflügelten Erwartungen der vergangenen Jahre und die Überzeugungen, dass dieser positive Trend für viele weitere Jahre erhalten bleiben kann. Ein solcher Index kann gleichwohl nicht existieren, da die Marktstimmung immer auch Einfluss auf Kurse nimmt.”

Gehen wir noch auf den neuen Bitcoin Index ein, den ihr gerade erstellt habt. Der Bitcoin Trend Indicator. Dieser wird täglich berechnet und ist von den historischen Tagesständen des CoinDesk Bitcoin Price Index (XBX) abgeleitet. Was sagt der Indikator derzeit aus, und wie kann er Anlegern helfen?

Bitcoin Trend Indicator (BTI)

“Der Bitcoin-Trendindikator ist eine Schätzung der Richtung und Stärke des Preistrends auf dem Bitcoin-Markt und kann auf der CoinDesk-Indizes Webseite eingesehen werden. Ein positiver Wert ist ein positiver Hinweis auf einen höheren Preistrend, ein negativer Wert ist ein Hinweis auf einen niedrigeren Preistrend. Eine Angabe von 0 ist ein Hinweis darauf, dass kein aktueller Trend verfügbar ist. Wir finden den Indikator sehr nützlich, um effizientere und objektivere Entscheidungen zu treffen, wenn es um Anlagestrategien geht.”

Kommen wir zum Abschluss! Wir können kaum fassen, dass schon 90 Minuten vergangen sind, denn die Unterhaltung war nicht nur überaus interessant, sondern auch sehr tief eintauchend in die Materie. Dennoch hatten wir nie Langeweile und ganz viel Spaß, während wir feststellen konnten, dass wir gar nicht so verschieden sind. 

Schließlich ist Bitcoin unser beider Favorit und wir sind von dem Potenzial des Kryptomarktes überzeugt. Todd geht das Ganze analytisch und faktenbasiert an, während ich meinem Bauchgefühl vertraue. Am Ende sind wir aber beide übereingekommen, großartige Zeiten stehen uns bevor, denn wir nehmen an einer besonders spannenden Phase an den globalen Finanzmärkten teil. 

Und wenn ich eine gute Fee treffen würde, dann würde ich mir von ihr wünschen, wir hätten beim nächsten Interview mehr Zeit für den Austausch. Ich verabschiede mich von Todd und Garry und setze mich direkt an das Transkript dieses außergewöhnlichen Interviews. 

Todd Groth, Forschungsleiter CoinDesk-Indizes

Todd Groth ist Head of Index Research bei CoinDesk Indices. Er verfügt über mehr als 10 Jahre Erfahrung mit systematischen Multi-Asset-Risikoprämien und alternativen Anlagestrategien. Bevor er zu CoinDesk Indices kam, war Todd Head of Factor Insights bei Premiab, einem institutionellen Fintech-Analyseunternehmen, und als Managing Director bei Risk Premium Investments (RPI), einem systematischen Multi-Asset-Vermögensverwalter, tätig. 

Todd Groth

Vor RPI war Todd Quantitative Portfolio Manager bei Investcorp und begann seine Finanzkarriere bei PAAMCO, einem Dachhedgefonds, als Manager in der Risikoanalysegruppe. Todd hat einen BS in Maschinenbau von der University of California, San Diego, einen MS in Maschinenbau von der University of California, Los Angeles, und einen Master of Financial Engineering von der UCLA Anderson School of Management.