Interview mit Dirk Röder, Leiter Blockchain Solutions Center der Deutschen Telekom

Stefanie Herrnberger
| 12 min read
Dirk Röder Bild

Dirk Röder und seine 30 Mitarbeitenden betreiben seit Kurzem eine Masternode im Chainlink-Netzwerk und nehmen dadurch aktiv am Staking teil. Für die Unterstützung der Sicherheit der Blockchain erhält die Telekom vom Projekt Staking-Rewards in Form von LINK-Token. 

Waren es rein finanzielle Beweggründe, nach Ethereum nun auch Chainlink als Validator zu unterstützen? 

“Wir sind schon seit 2020 Oracle Provider und haben uns 2022 entschieden, am ETH-Staking teilzunehmen. Möglich wurde das durch die Umstellung von Ethereum auf den Proof-of-Stake. Die Prozesse liefen reibungslos und jetzt sind wir nicht nur bei Ethereum ein Validator, sondern eben auch bei Chainlink. Natürlich spielt da auch der finanzielle Anreiz eine Rolle, denn wir müssen als Unternehmen Gewinne erzeugen.”

T.Systems Stakewise

“Oracles enthalten Datenfeeds, und zwar in der Regel in Form von aktuellen Kursen von Vermögenswerten, die in Echtzeit an Plattformen wie Krypto-Börsen oder DeFi-Unternehmen gesendet werden. Die Preisfeeds stellt die Telekom, insbesondere für das Ethereum Mainnet zur Verfügung.”

Nach einem aufregenden Jahr 2022 ist es derzeit sehr ruhig am Markt. Wir wollen von Dirk wissen, wie er die aktuelle Situation einschätzt und ob man von einem Innovationsstopp im Krypto-Sektor sprechen könnte.

“Es ist zwar kurstechnisch ruhiger am Markt, aber dadurch können sich Unternehmen und Entwickler auf den Ausbau der Infrastruktur und die Entwicklung neuer Lösungen konzentrieren. Dem abgekühlten Markt ist ein reinigendes Gewitter vorausgegangen, in dem sich die Spreu vom Weizen trennte. Derzeit stehen bei den Entwicklerteams Projekte mit konkretem Anwendungsfall und Mehrwert für die Benutzer im Fokus. “

“Denken wir mal an Ethereum und das Shanghai Update, das Ende des ersten Quartals oder Anfang des zweiten Quartals 2023 erscheinen soll. Zum Aspekt des Investierens kann ich nicht viel sagen, aber wenn ich an die Pressemitteilungen von Fidelity oder Blackrock denke, dann sind da neue Möglichkeiten fürs Krypto-Traden im Gespräch. “

“Ich sehe daher eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Thema Krypto bleibt und es derzeit nur eine Konsolidierungsphase gibt.”

Als Nächstes wollen wir wissen, was Kunden für Anforderungen an ihn und sein Team stellen und welche Lösungen die Kunden benötigen. Sind es Leistungen rund um den Netzwerkaufbau oder Datenfeeds, Marktplätze oder konkrete Krypto-Handelsoptionen? Dirk erklärt uns, dass es keine klassischen Kunden wie in anderen Fachbereichen der Telekom gibt.

“Wir entwickeln Produkte und Lösungen für Institutionen oder Entitäten nach deren individuellen Anforderungen an eine Blockchain-Infrastruktur. “

“Mit unseren Leistungen sichern wir die Infrastruktur ab. Das bedeutet, wir traden nicht und wir haben nichts mit den Token an sich zu tun. Wir stellen sicher, dass die geeignete Hard- und Software für Validatoren bereitsteht. Wenn jemand sagt, er möchte mit seinem Token das Netzwerk sichern, dann bieten wir ihm die zuverlässige Infrastruktur für diese Aufgabe an.”

Staking and Farming

“Das bedeutet, Kunden, die zu uns kommen, haben in der Regel schon sehr klare Vorstellungen von dem, was sie umsetzen möchten und suchen dafür den geeigneten Partner. “

Profitiert die Telekom auch von der weltweit bekannten Marke und dem, wofür die Farbe Magenta steht, also Zuverlässigkeit, Sicherheit und Made-in-Germany? Und wenn ja, sind es finanzielle Vorteile? 

“Die Deutsche Telekom steht für Vertrauenswürdigkeit, Sicherheit und Zuverlässigkeit. Als Telekommunikationsunternehmen ist es unser Kernauftrag, Basisinfrastruktur mit Netzen und der Cloud zur Kommunikation bereitzustellen. “

“Über Smart Contracts erhalten wir für unsere Aufwendungen einen Teil der Staking-Rewards, das ist unser Geschäftsmodell mit einem klaren finanziellen Aspekt. “

Warum ist gerade der Bereich der Blockchain-Entwicklung so erfolgreich? Sind die Kunden, die die Telekom beauftragen, schon im Blockchain-Thema drin oder handelt es sich eher um absolute Anfänger?

“Die Telekom hat als Konzern zunächst die Kommunikation zwischen Menschen ermöglicht und Telefonleitungen verlegt. Dann kam mit Kabel und Glasfaser die Kommunikation im Internet. Heute sind wir als Unternehmen für den Werteaustausch der Zukunft zuständig und unterstützen öffentliche dezentrale Blockchain-Netzwerke als Infrastruktur-Anbieter. “

“Wir stellen immer häufig fest, dass Werte tokenisiert werden. Genau dafür brauchen unsere Kunden die Blockchain als Basis. Und genau da kommen wir ins Spiel.”

“Was immer schon ein Argument war, warum Foundations, also die Erfinder der Protokolle, mit uns zusammenarbeiten, ist, dass wir kein Hyperscaler wie Amazon oder Google sind. Die Validatoren von PoS brauchen keine hohe Rechenleistung wie beim PoW. Hyperscaler könnten zur Zentralisierung führen. Unsere Lösungen garantieren eine hohe Verfügbarkeit, sind Multi-Cloud-fähig, redundant und nicht so zentralisiert wie bei den Marktführern. “

“Die Mehrheit unserer Kunden ist bereits ins Thema rund um Blockchain eingestiegen. Diese stammen zum größten Teil aus dem Finanzbereich oder halten institutionelle Token für andere und wollen ebenfalls an den Token-Rewards beteiligt werden.”

“Ein ganz kleiner Teil ist dabei, der uns um Aufklärung oder Weiterbildung bittet. Da gehen wir dann ins Unternehmen und führen Workshops durch. “

Dirks Schilderungen entnehmen wir, dass Unternehmen deutlich aufgeklärter und offener sind als noch vor ein paar Jahren. Oder irren wir uns?

“Jein. Ich widerspreche ungern, würde es an dieser Stelle aber gerne aufteilen. Das Ja gibt es, weil viele Unternehmen Blockchain bereits intern für sich eingeordnet haben. Das gilt gerade für die DAX-Unternehmen. Ich glaube aber, dass einige davon auch Lehrgeld bezahlt haben. Nein, muss ich sagen, wenn ich an Unternehmen denke, die gescheitert sind bei der Einführung von digitalen Technologien wie der Blockchain.”

Nft Markt

“Diese fanden zum Beispiel die Idee einer privaten Blockchain und deren Zentralität ganz toll, doch führten sie einen der Kernelemente dieser neuen Technik ad absurdum, nämlich die Dezentralität. Häufig traten bei der Identifizierung von Anwendungsfällen aber ganz alltägliche Transformationsschmerzen zutage. “

“Schließlich bedingt die Blockchain Transparenz und Gleichberechtigung bei Zugriffsverwaltung und Datenhoheit. Es ist wie mit dem Gartner Hype Cycle. Jetzt wissen die Leute, was geht und was nicht! “

Welche Anwendungen und Bereiche sind ideal für die Blockchain und welche Bereiche werden und können von der Blockchain als Distributed-Ledger profitieren?

“Bei Logistik und Herkunft gibt es derzeit wenig Neues über Blockchain-Entwicklungen zu finden. Die großen Herausforderungen dieser Branchen liegen bei den unterbrochenen Lieferketten, fehlenden Rohstoffen und dem dadurch entstandenen Auftragsstau. Die aktuellen Entwicklungen haben dazu geführt, dass sich die Prioritäten verschoben haben. Das Thema rund um Blockchain ist daher in den Hintergrund gerückt.”

“Aber wir sehen großen Bedarf von Blockchain-basierten Lösungen am Kapitalmarkt, und zwar durch die Tokenisierung. Die lässt auch die Gaming-Branche und das Metaverse aufblühen, denn auch hier geht es in erster Linie darum, den digitalen Besitz zu organisieren. Im Energiesektor werden sich aus unserer Sicht dezentrale Technologien als Abrechnungsebene durchsetzen.”

“Auch wenn es im Moment aufgrund der Energiekrise eher nach einer starken Zentralisierung als einer DLT-basierten Dezentralisierung aussieht.”

Greifen wir das Thema NFT auf. Wird es in diesem Markt weiterhin um teure Kunst gehen oder sehen wir zukünftig verstärkt den Nutzen der Technologie hinter der Tokenisierung? Welche Probleme oder Anwendungen lassen sich mit NFT lösen? Wird die Menschheit auch in 5 oder 10 Jahren noch lustige Affenbildchen handeln? Wie sieht Dirk die Lage?

“Die lustigen Äffchen sind ein Beispiel für einen klassischen Hype. Doch am Ende des Tages regelt der Markt den Preis. Wenn eine Person bereit ist, diesen oder jenen Betrag für einen digitalen Affen zu zahlen, dann hat der eben diesen Wert.”

Nft Kunst

“Das ist übrigens bei Bitcoin genauso. In einer zunehmend digitalen Welt von jungen Leuten, sehe ich die NFTs idealerweise im Bereich Rechtemanagement, digitales Eigentum oder bei Sammelobjekten, wie eben der digitalen Kunst eingesetzt. “

Wie passen NFT und Pierre Littbarski zusammen? Im Vorgespräch sind wir von NFT schnell bei Panini-Bildchen gelandet. Ich erinnere mich noch an die Begriffe Sammelbilder und limitierte Auflage. Warst du auch begeisterter Sammler, Dirk?

“Pierre Littbarski, Andreas Brehme und Lothar Matthäus – Fußball-Helden meiner Jugend. Da stehen die jungen Leute heute nicht mehr drauf. Sie haben alle Smartphones, sind digital unterwegs. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten von NFT und den begehrten Bildchen aus Hanuta und Duplo in den 1990er-Jahren.”

https://www.sticker-worldwide.de/picture/football-world-cup-sticker/world-cup-90-sticker/Pierre-Littbarski-Italia-90.html?language=en

“Die Verknappung ist bei Panini-Bildchen und bei NFT ein relevanter Aspekt, der den Wert der Assets bildet. Auch digitale Kunst wird aus meiner Sicht total unterschätzt. Ich finde die Idee dahinter charmant, dass der Künstler an jedem Weiterverkauf verdienen kann. Kunst wird ja oft von Verkauf zu Verkauf teurer, aber der Künstler erhält nur beim ersten Verkauf an eine Galerie oder den ersten Kunden eine finanzielle Entschädigung.”

“NFT als Technologie bietet auch Potenziale bei der Verwaltung der Eigentumsrechte im Metaverse oder für Flurstücke im Grundbuch. Die Zukunft wird nicht bei den millionenschweren Affenbildern „Bored Apes“ liegen, sondern darin, digitale Dinge zu verbriefen und damit zu beweisen, dass dieses Objekt auch wirklich meins ist. Ich gehe davon aus, dass der Bedarf in Zukunft dafür noch zunehmen wird. “

Von Eigentumsrechten zu digitalen Identitäten. Wir sind im Bereich von SSI, einer Technologie, die für digitale Identitäten auf Blockchains notwendig ist. Da kommt derzeit die Entwicklung nicht voran und ich bin etwas enttäuscht darüber. Wie siehst du das?

“Digitale Identitäten sind ein Thema, das mich unabhängig von meinem Job bewegt. Wenn man in diesem Bereich viel falsch macht, dann kann es zu dystopischen Szenarien der Massenüberwachung kommen. Was ich von den europäischen Projekten gehört habe, beruhigt mich dahin gehend allerdings nur ein bisschen. Die Entwicklung von SSI ist derzeit schwierig. “

“Die globale Pandemie und der russische Überfall auf die Ukraine haben die Prioritäten im politischen Umfeld natürlich verändert. Ich glaube, die Entwicklung von SSI wird weiterverfolgt werden, auch wenn es etwas länger dauern wird als gedacht. Die Technologie schreitet stetig voran und W3C hat bereits einen Standard für digitale Identitäten vorgelegt.”

“Aber als Staat sind wir nun mal in solchen großen Strukturveränderungen langsamer als in der freien Wirtschaft. Das liegt an den komplexeren Prozessen plus den Herausforderungen auf Makroebene.”

“Dystopisch sehe ich übrigens auch die Entwicklung von digitalem Zentralbankengeld, der sogenannten CBDC. Dieses programmierbare Geld bietet bisher nie mögliche Eingriffe des Staates in die monetäre Unabhängigkeit des Individuums. Es kursieren regelmäßig Ideen, auch in Europa, wie ein Verfallsdatum oder, in Kombination mit der Digitalen Identität, die Einschränkung zum Ausgeben bei Fehlverhalten. “

“Wir beobachten den Markt der digitalen Identitäten zwar genau, fokussieren uns in diesem Jahr allerdings auf den Ausbau unserer Infrastrukturangebote wie Staking. Das bedeutet aber nicht, dass wir für dieses Thema keine Experten im Team haben und auch nicht, dass wir in diesem Bereich nicht auch mitreden wollen. “

Kommen wir zurück zum Staking. Wo liegen die Gründe für die Entscheidung, sich als Konzern auf das Staking in einem Blockchain-Protokoll zu fokussieren?

“Es ist eine rein wirtschaftliche Entscheidung. Technologisch sind wir sehr gut aufgestellt und haben Mitarbeiter, die sich intensiv mit SSI beschäftigen und wirklich sehr gut damit auskennen. Aber derzeit haben diese Themen nicht die Velocity. Wir säen jetzt und wollen später, wenn der Markt wieder anspringt, die Staking-Früchte ernten. “

T-Mobile

“Die derzeit ruhigen Marktbedingungen am Finanzsektor geben uns den notwendigen Raum dafür. Die anderen Themen entfallen nicht, denn wir können jederzeit kurzfristig reagieren, wenn sich die Bedingungen am Markt ändern. “

Ist das Jahr 2023 langweilig, aus Sicht von begeisterten Blockchain- und Krypto-Enthusiasten? Kommen dieses Jahr keine technologischen Innovationen auf den Markt, bleibt es eher ruhig? Wie siehst du das, Dirk? 

“Technologisch tut sich recht viel, denn Bitcoin hat Taproot aktiviert und Ethereum hat das Shanghai Update angekündigt. Das bestätigt meine Sicht auf die Dinge, dass derzeit weniger auf die aktuellen Kursbewegungen geachtet wird, sondern sich jeder auf seine Arbeit konzentriert. Es passiert viel und es wird viel Entwicklerarbeit geleistet. Meinungen ändern sich im Übrigen sehr schnell. “

“Als der Bitcoin bei über 60.000 stand, sagten viele, dass sie den Coin sofort kaufen würden, wenn er bei 30.000 stehen würde. Jetzt liegt er bei 20.000 und jetzt heißt es, Bitcoin sei tot. Das zeigt die hohe Dynamik an den Märkten, aber auch die große Unsicherheit der Anwender. Mit neuen Entwicklungen wird die Akzeptanz der Technologien weiter zunehmen und deshalb ist dies gerade eine sehr intensive und wichtige Aufbauarbeit, die wir bei der Telekom leisten. “

Lass uns über die Grenzen der Blockchain-Technologie reden. Was kann die Blockchain nicht leisten, und zwar weder morgen noch übermorgen? Was muss ein Kunde von euch fordern, dass du sagst: Hier können wir nicht helfen! 

“Blockchain ist keine klassische Datenbank. Deswegen braucht ein Unternehmen auch keine Blockchain, wenn es innerhalb der Organisation Daten austauschen möchte. Da reicht eine völlig normale Datenbank, wenn nicht sogar Google Drive. Wenn ein Kunde zu mir kommt und sagt, er möchte einen Coin aufsetzen, also die x-te Währung am Markt hochfahren, dann würde ich definitiv ablehnen. “

“Das haben schon zig Leute versucht, am Ende war alles nur ein Klon von Bitcoin und ist in der Versenkung verschwunden. Außerdem sehe ich den Markt an neuen Kryptowährungen, die wirklich einen Mehrwert bieten und damit eine echte Zukunft haben, auch als nahezu gesättigt an, zumindest im Moment.”

Kommen wir zur letzten Frage, die unsere Leser interessiert. Wie sehen denn die Pläne für 2023 aus und hier denke ich eher an die Dinge, über die du zwar noch nicht offiziell reden darfst, du uns aber vielleicht hier und jetzt schon mal ein paar Anhaltspunkte geben kannst.

“Da muss ich in der Tat sehr nebulös bleiben. Lass es mich so formulieren: Wir schauen dieses Jahr verstärkt auf das Thema Infrastruktur, denn das ist mit Staking ja noch nicht abgeschlossen. Es gibt ja auch Infrastruktur außerhalb des Staking und die Möglichkeiten schauen wir uns gerade bei der Telekom etwa genauer an.”