Weist der Kult um Bitcoin die Züge eine Religion auf?

Georg Steiner
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Kryptowährungen spalten. Sie teilen die Wirtschaftswelt in Anhänger und Gegner. Manche Beobachter bekommen zunehmend den Eindruck, dass die größten Bitcoin-Fans mehr und mehr Züge fanatischer Verteidiger des wahren Glaubens aufweisen. Ist dies übertrieben oder steckt ein Körnchen Wahrheit dahinter?

Religionen zeichnen sich zumeist dadurch aus, dass sich ihre treuesten Anhänger als die einzig wahren Gläubigen bezeichnen. Sie glauben in ihrer Gemeinschaft ihren Lebenszweck gefunden zu haben. Das lässt sich auch auf Bitcoin umlegen.

Schlüssel zu einer funktionierenden Wirtschaftswelt?

Immerhin gelten bei dessen treuer Gefolgschaft andere Coins zumeist als „Shitcoin“. In so einem Umfeld haben es neue Kryptowährungen, die möglicherweise Potenzial aufweisen, schwer sich zu behaupten. Fiat-Währungen, wie der Euro oder der Dollar sind ohnehin Teufelswerk, weil sie von Staaten und Notenbanken für eigene Zwecke manipuliert werden. Die aktuelle Geldentwertung durch ein seit Jahrzehnten nie gekannte Inflation scheint dieser Argumentation recht zu geben.

Nichts ärgert Bitcoin-Anhänger mehr, als wenn die Mutter aller Kryptowährungen als Blase bezeichnet wird. Die Eingeweihten glauben, den Schlüssel zu einer funktionierenden Wirtschaftswelt gefunden zu haben und verteidigen diesen vehement gegen alle Angriffe. Auch dieser Zugang erinnert ein wenig an Religion.

Ohne Glaube kein Geld

Doch der Glaube ist zentraler Bestandteil jeder Währung und unseres Finanzsystems. Schließlich wäre jede Bank der Welt sofort in Schwierigkeiten, käme es zu einem massiven Bank-Run. Das gilt auch für jede Währung, die nur deswegen funktionieren kann, weil die Konsumenten an ihren Wert glauben.

Jeder Geldschein für sich betrachtet ist nichts anderes als ein Stück bedrucktes Papier, ohne jeden Wert. Er wird erst durch den Glauben an seinen Wert wertvoll. Im Falle von Bitcoin kommt noch die mystische Figur von Satoshi Nakamoto hinzu. Der unbekannte Erfinder der Kryptowährung ist längst zu einem Propheten für seine Anhänger geworden. Sein Whitepaper gilt als „Bibel“ für all jene, die sich ein freies und demokratisches Finanzsystem wünschen. Die Manifestation davon ist der Bitcoin. Seine Knappheit fasziniert die Anleger und macht sie zum Gegenstand zahlloser Diskussionen.

Schöpfung und Feiertage

Der Bitcoin-Schöpfer hat diese Analogie noch mit dem ersten Bitcoin Block befeuert. Er gab ihm den Namen Genesis, also „Schöpfung“. Interessanterweise leugnet Satoshi Nakamoto diesen Zugang in seinem Whitepaper. Dort spricht er davon, ein System für elektronische Transaktionen geschaffen zu haben, das nicht auf Vertrauen basiert, doch genau dieses ist notwendig, um Bitcoin jenen Schwung zu verleihen, des benötigt, um sich durchzusetzen.

Natürlich hat auch der Kult rund um Bitcoin längst seine eigenen Feiertage. Am 22. Mai gedenken die Anhänger jener Transaktion, bei der ein Besitzer in den Anfangstagen zwei Pizzen mit insgesamt 10.000 Bitcoins bezahlte. Am 3. Januar jeden Jahres feiert man den „Proof of key“ und alle vier Jahre folgt das Halving. Selbst eine Abspaltung kann Bitcoin in seiner jungen Geschichte bereits aufweisen. Bitcoin Cash spaltete die Anhänger in zwei „Glaubensgemeinschaften“.

Ob Bitcoin tatsächlich der Stein der Waisen ist, wird sich spätestens dann zeigen, wenn das Vertrauen in seine Vorgänger, wie Dollar und Euro massiv leiden. Wenn Bitcoin das Potenzial zu einer disruptiven Technologie hat, wird sich dies erweisen.