Shermin Voshmgir vom Forschungsinstitut für Kryptoökonomie im Gespräch

Georg Steiner
| 4 min read

Shermin Voshmgir ist Direktorin des Forschungsinstituts für Kryptoökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien und Gründer von BlockchainHub.

Sie ist auch Beraterin von Jolocom, einem blockchainbasierten Identitätsprotokoll. In der Vergangenheit war sie Kuratorin von TheDAO, Mitglied des Beirats der estnischen E-Residency sowie von Wunder, einem dezentralen Kunstmuseum. Sie spricht regelmäßig auf Konferenzen und berät zu Blockchains, insbesondere im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und sozialen Auswirkungen von Zukunftstechnologien.

Wann und wie sind Sie das erste Mal mit Bitcoin und Blockchain in Berührung gekommen?

Es war auf einer Party um 2h in der Früh, als mir ein Freund eines Freundes davon erzählte. Mein erster Gedanke war, dass Bitcoin und die Blockchain eine technologische Lösung auf viele gesellschaftliche Probleme sein könnte, bzw. die Antwort auf viele Fragen, die ich mir schon seit 20  Jahren gestellt habe. 

Wie können klassischen Banken mitmischen oder sind ihre Tage gezählt? 

Banken haben verstanden dass diese Technologie auch viele Ihrer Probleme lösen kann, nämlich teuere  Geschäftsprozesse im Backend. Ich persönlich glaube nicht dass Banken verschwinden werden, ihre Rolle wird sich extrem ändern. Was nicht heißt, dass nicht die eine oder andere Bank verschwinden könnte, wenn sie sich nicht rechtzeitig auf den rasanten technologieschen Wandel einstellen. 

Ist es vorstellbar, dass sich diese Technologie doch nicht durchsetzt? 

Es sind schon zu viele ökonomische Interessen an diese neue Technologie gebunden. Es ist kaum vorstellbar, dass sie komplett verschwinden wird. Was viele nicht verstehen: Bitcoin war nur der Anfang. Blockchain ist die treibenden Kraft in der nächsten Generation Internet, im dezentralen Web, oder von manchen auch das Web3 genannt.    

Nur welche der tausenden Blockchains und Tokens, die es heute gibt, überhaupt überleben wird ist die grosse Frage. Bitcoin ist der Dinosaurier aller Blockchains, die Technologie hat sich schon wesentlich weiterentwickelt. Es gibt schon die ersten Crypto Projekte – wie IOTA, und Hashgraph – die zwar auf der Idee von Blockchain aufbauen, aber keine Blockchain mehr haben, sondern komplett alternative Kryptoökonomische Anreizmechanismen.    

Fazit: Wir brauchen mehr Bildung. Die Leute vermischen so viele Begriffe und sind noch bei Bitcoin stecken geblieben. Die Kryptowelt hat sich von Bitcoin schon lange emanzipiert.

Wo stehen wir da gerade? Welches sind die größten Hürden, was wären sinnvolle Ansätze? 

Die Zukunft ist zwar schon da, sie ist aber noch nicht bei jedem angekommen. Die Technologie ist stellenweise noch unreif und es gibt viele ungeklärte juristische Fragen. Die Technologie ermöglicht komplett neue wirtschaftliche Interaktionen, die vorher nicht möglich waren.

So wie das Internet überhaupt erst Social Media möglich gemacht hat. Wer hat sich denn in den 1980er oder 1990er Jahren, als Email noch eine Revolution darstellte, vorstellen können daß wir 2004 Facebook haben werden. Kaum jemand. Bis sich neue Technologie oder Phänomene in der breiten Masse durchsetzen, müssen sich erstmal gewisse Netzwerk Effekte einstellen. Das bedarf meist einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Wobei wir in sehr beschleunigten Zeiten leben. Diesmal gehts vielleicht etwas schneller. 

Warum wurde das Institut für Kryptoökonomie gegründet?  

Bitcoin, Ethereum und andere sogenannte Kryptowährungen sowie ihre zugrunde liegende Technologie der Blockchain und Smart Contracts hat in den letzten Jahren eine Welle von technologischen Innovationen ausgelöst. Das neu gegründete Forschungsinstitut für Kryptoökonomie reagiert auf den wissenschaftlichen Bedarf der sich aus der Aktualität und Vielschichtigkeit dieser boomenden neuen Technologie ergibt.

Blockchain und ähnliche Technologien bieten hierbei spannende Anwendungsfelder für viele Branchen, mit denen sich alle Fachbereiche der WU in der einen oder anderen Form beschäftigen werden. Kryptoökonomie bezieht sich hierbei auf die spieltheoretischen Anreizmechanismen, die ein verteiltes Netzwerk von Akteuren und Akteurinnen ohne klassische Intermediäre oder staatliche Verwaltungsinstitutionen steuern. 

Um den Herausforderungen und Potentialen dieser neuen Technologien gerecht zu werden, haben wir daher einen Interdisziplinären Ansatz gewählt, mit dem wir die technischen Aspekte gemeinsam mit  ökonomischen, sozialen und rechtlichen Aspekten erforschen und unsere in-house Kompetenz stärken.    

Sie betonen immer wieder auch die Vorreiterrolle, die die WU mit der Gründung des Instituts Anfang 2018 eingenommen hätte. Wodurch definiert sich diese? 

Meines Wissens nach ist unser Institut weltweit die erste Forschungseinrichtung, die sich in dieser Größe und Vielfältigkeit mit diesen Fragestellungen auseinandersetzt. Wir haben 30 zugewiesene  Forscherinnen und Forscher aus acht verschiedenen Departments: von Computer Science, Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft und Rechtswissenschaften.

Auch schlagen wir die Brücke zu anderen emergenten Technologien wie Künstliche Intelligenz und Internet der Dinge, denn all diese Technologien bedingen einander, und können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

Andere Universitäten weltweit fangen erst jetzt an sich mit dem Thema zu beschäftigen. Jene die schon vor uns aktiv waren, haben meist nur einem inhaltlichen Schwerpunkt, oder sind viel kleiner und weniger vielfältig als wir. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Lizenzfreies ​Foto​, Fotograf: Alexander Koch, https://www.wu.ac.at/presse

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